Econova Interview zum Thema: Employer Branding im Tourismus – Gastfreundschaft und Purpose
Das Thema Employer Branding ist in aller Munde, besonders im Zusammenhang mit den vielzitierten Bedürfnissen der Generation Z, der die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit meist wichtiger ist als die Bezahlung und die großen Wert auf Freizeit und flexible Arbeitsmodelle legt. Wie äußert sich diese neue Tendenz, die natürlich auch an den vorherigen Generationen nicht vorbeigeht, im Tourismus – und wie hängt sie mit dem akuten Fachkräftemangel zusammen?
M. O. Auf Arbeitgeberseite – und man muss sagen, gerade auch in der Hotellerie – herrschte lange die Annahme, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine ersetzbare Ressource seien. Auf ihre Bedürfnisse wurde deshalb oft nicht genug Rücksicht genommen. Diese Haltung stammt aus Zeiten, in denen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen noch am vermeintlich längeren Hebel saßen, weil sie aus einer Vielzahl von Bewerbern und Bewerberinnen auswählen konnten, und das führte natürlich zu unguten Machtverhältnissen. Zum Glück gab und gibt es auch viele bemerkenswerte Ausnahmen, aber oft waren diese Hierarchien so tief verankert, dass viele Hoteliers sich scheinbar unerwartet mit neuen Tatsachen konfrontiert sahen – nämlich einem Arbeitsmarkt, in dem hochqualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Mangelware sind, um die man sich bemühen muss, will man sich im Kampf um gute Arbeitskräfte gegen die Konkurrenzbetriebe durchsetzen.
Natürlich brach der akute Fachkräftemangel nicht völlig überraschend über den Arbeitsmarkt herein, er zeichnete sich besonders in der Tourismusbranche seit Jahrzehnten ab. Spätestens seit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahre ist allerdings allen klar, dass sich die Schwerpunkte auf dem Arbeitsmarkt verlagert haben und die Anliegen gerade der jüngeren, anspruchsvolleren Arbeitnehmer unbedingt Gehör finden müssen. Es ist unglaublich spannend, wie schnell und flexibel die Branche jetzt darauf reagiert, das finde ich bewundernswert.
Braucht es also dringend neue Konzepte und Strategien – und wenn ja, welche?
M. O. Die braucht es, unbedingt, und es gibt eine Menge, was dafür getan werden kann. Angestellte sind jetzt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Augenhöhe, und es sind nicht mehr die Arbeitssuchenden allein, die sich bewerben – auch die Hoteliers werben um die Gunst ihrer potentiellen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das hat in meinen Augen nur Vorteile: Nicht nur geht man endlich menschlicher und empathischer miteinander um, auch fortschrittsresistentere Touristiker sind nun gezwungen, völlig neue Strategien anzuwenden, also wirkliches Employer Branding zu betreiben, was für mich auch ein unglaubliches Verbesserungspotenzial des wichtigen Themas Gastfreundschaft in sich birgt.
Wie das? Und was genau impliziert Employer Branding in diesem Zusammenhang?
M. O. Employer Branding bezeichnet, verkürzt gesagt, den Maßnahmenkatalog, mit dem sich ein Betrieb, in diesem Fall ein Hotel, einerseits für potentielle Arbeitskräfte interessant macht und andererseits bestehende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stärker an sich bindet. Es dient also dem Recruiting ebenso wie der Förderung des innerbetrieblichen Zusammenhalts. Zudem verbessert gutes Employer Branding die Führungsqualitäten der Hoteliers. Ausschlaggebend für ein eingespieltes, harmonisches Team ist nämlich nicht nur die Loyalität der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gegenüber dem Hotel, dem Arbeitgeber und den Gästen, sondern im genau selben Maße jene der Führungskräfte den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gegenüber. Nur gegenseitige Wertschätzung, die steten Ausdruck findet, führt zu einem positiven Betriebsklima und erhöht die Produktivität. Und, wie ich eingangs sagte, die Gastfreundschaft, für mich das zentrale Thema in der Hotellerie überhaupt. Ein vielerorts lange vernachlässigtes Thema, so absurd das in dieser Branche auch zu sein scheint, doch die wirtschaftliche Lage der vergangenen langen Jahrzehnte hat das quasi als Begleiterscheinung mit sich gebracht: Betriebe, die ökonomisch Selbstläufer sind, etwa, weil sie sich an überaus begehrten Destinationen befinden, konnten es sich leisten, mehr Wert auf die Ausstattung des Hotels als die liebevolle, authentische Betreuung der Gäste zu legen, und leider sind nicht wenige Hoteliers in diese Falle getappt. Mir ist auch dieser Widerspruch immer wieder aufgestoßen: Wie können Gastgeber und Gastgeberinnen, die ihren Teams keine Wertschätzung entgegenbringen, ihren Gästen gegenüber echte Herzlichkeit zum Ausdruck bringen? Es geht hier für mich um unbedingte Echtheit: Nur wer sein Team fürsorglich behandelt, der ist im Kern ein wahrer Gastgeber, der wird auch seinen Gästen gegenüber dieses „Dienen“ im allerschönsten Sinn des Wortes an den Tag legen können. Jemand, der will, dass es allen im Hotel gutgeht, ist wiederum das beste Vorbild für sein Team. Als Führungskraft muss man Werte vorleben.
Wie kann so ein Maßnahmenkatalog für Employer Branding konkret aussehen, welche Aspekte sind wichtig?
M. O. Ich denke, gutes Employer Branding muss zwei zentrale menschliche Bedürfnisse erfüllen, dann kann es entscheidend dazu beitragen, den sogenannten Purpose von Arbeit zu fördern: Menschen wünschen sich Zusammenhalt im Team, also Zugehörigkeit, aber auch individuelle Anerkennung.
Also gilt es, bereits vom Bewerbungsgespräch an ein ordentliches Onboarding zu machen, wörtlich: die Leute so an Bord zu holen, dass sie sich willkommen, gut aufgehoben und gut informiert fühlen. Den neuen Teammitgliedern sollen die Mission, die Vision und die Werte des Betriebs vermittelt werden, denn sie sollen diese ja nicht nur teilen, sondern auch tagtäglich leben. Dazu gehören eine gut begleitete Einarbeitung und, wenn möglich, ein durchdachtes Mitarbeiterkonzept. Es hat sich für den Teamgeist als ungeheuer nützlich erwiesen, einen Teamnamen zu schaffen, sogar ein eigenes Logo, ein Motto, Credo oder einen Claim; eigene Kommunikationskanäle, Mitarbeiterkleidung und vieles mehr. Auch ein Team ist im Idealfall eine Marke, das sorgt für ein unglaubliches Zusammengehörigkeitsgefühl.
Gelungenes Employer Branding schafft zudem eine ganze Reihe attraktiver Benefits – das kann alles Mögliche sein, von Rabatten auf interne und externe Dienstleitungen und Produkte, Mitarbeiteressen, Vergünstigungen für Familienmitglieder, über gemeinsame Kurse, Aktivitäten und Events bis zu einer positiven Fehler- und Feedbackkultur oder den äußerst begehrten flexiblen Arbeitszeiten und Urlaub während der Saison. Wichtig ist es, diese Benefits deutlich zu kommunizieren, damit sie auch als wahre Vorteile wehrgenommen werden.
Ein weiterer Aspekt der angestrebten Sinnhaftigkeit von Arbeit ist der Wunsch nach professioneller und persönlicher Weiterentwicklung. Wer seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Schulungen und Weiterbildungen ermöglicht, steht ganz vorne in ihrer Gunst. Und nicht zu vergessen, die individuelle Wertschätzung: Jedem tut es gut, gesehen zu werden, und so sind persönliche Aufmerksamkeiten und Glückwünsche zu Geburtstagen, Dienstjubiläen u. ä. die beste Art, seinen Leuten zu sagen: Du bist für mich einzigartig. Übrigens geht ein optimales Employer Branding über die Arbeitsbeziehung hinaus: Noch beim Offboarding, wenn man sich also von einem geschätzten Teammitglied aus welchen Gründen auch immer trennen muss, gilt es, zu signalisieren, „Du warst mir etwas wert, vielleicht begegnen wir uns wieder“. So hält man sich die Türen für eine eventuelle spätere erneute Zusammenarbeit offen.
Wie sehen Sie als Arbeitgeber diese neue Situation auf dem Arbeitsmarkt, was bedeutet diese Verlagerung der Werte auf mehr Purpose für die Tourismusbranche?
M. O. Ich glaube, dass sie das Beste ist, was uns passieren konnte, denn sie zwingt uns zum Umdenken in Bereichen, die dringend einer Erneuerung bedurften: Sie bedeutet eine Rückkehr zu alten Werten, zu einem Handeln mit Inhalten, zu einer offenen und tiefen Auseinandersetzung miteinander. Ebenso, wie im Tourismus der Zukunft menschliche Beziehungen und persönliches Erleben im Vordergrund stehen, verhält es sich auch mit der zeitgenössischen Personalpolitik. Ich freue mich, dass wir die Zeichen der Zeit erkannt haben und Purpose aktiv leben wollen, denn es bringt uns alle weiter: die Hotels, die Unternehmer und Unternehmerinnen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Branche an sich.